Arbeitskreis Toulon
Wenn man auf der Suche nach den Ursprüngen der Mannheimer Städtepartnerschaft mit Toulon ist, erhält man Auskunft beim Arbeitskreis Toulon der Evangelischen Christuskirche. Zwei Kirchenvertretern Mannheims und der evangelisch-reformierten Gemeinde Toulon ist es mit zu verdanken, dass es im Jahre 1959, nur 14 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg mit der Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages, zu einem Akt der Versöhnung zwischen beiden Ländern kam.
Der Arbeitskreis Toulon organisiert gegenseitige Kontaktfahrten zwischen den Partnergemeinden. Im jährlichen Wechsel finden jeweils im Sommer eine Fahrt von Mannheimern nach Toulon bzw. ein Besuch französischer Gäste in Mannheim statt. Für die Gäste bereitet der Arbeitskreis ein umfangreiches Programm vor, in dessen Vordergrund geistliche und kulturelle Aspekte stehen, die ebenso Ausflüge in Mannheim und die Region beinhalten. Der Anspruch ist, eine Form deutsch-französischen Austauschs zu schaffen, der keinen kommerziellen Charakter hat, sondern bei der die persönliche Begegnung, das Interesse an der französischen Sprache und ein religiöser Austausch im Vordergrund stehen.
Die Besucher sind für die Zeit des Aufenthalts in der Regel bei Familien der Gastgeber untergebracht. Gemeinsame Gottesdienste werden meist zweisprachig gestaltet. Hilfreich ist, dass das Gesangbuch der Evangelischen Landeskirche in Baden zusammen mit der Evangelischen Kirche des Elsass herausgegeben wurde, also identisch ist. Darin wurden viele Lieder sowohl in Deutsch und auf Französisch abgedruckt. Leiter des Arbeitskreises Toulon ist Dr. Matthias Meyer, Pfarrer an der Christuskirche in Mannheim. Ihn verbinden persönliche Erlebnisse mit Toulon, hat er doch zu Jugendzeiten an Jugendlagern des CVJM im Camp d´Azur in Sanary-sur-Mer teilgenommen. Jugendtreffen an der Côte d’Azur finden bis heute an dem Ort statt, an dem sich zu Zeiten des 2.Weltkriegs ein Gefangenenlager für deutsche Kriegsgefangene befand. Diese Vorgeschichte ist für die gegenseitige Versöhnung deshalb ein wichtiger Ort, weil es Gefangene dieses Lagers waren, die einen Austausch in Friedenszeiten zwischen Frankreich und Deutschland und konkret zwischen Mannheim und Toulon anstrebten.
In den Nachkriegszeiten gab es Vorbehalte und große bürokratische und diplomatische Hürden. Friedrich Ziegler, damaliger Leiter des Mannheimer Kirchengemeindeamts und späterer Stadtrat sowie Fernand Fritsch, ehemaliger Präsident der evangelisch-reformierten Gemeinde in Toulon, strebten einen Weg zur Versöhnung zwischen Christen beider Städte an. Damit ebneten sie den Weg für die Partnerschaft der Evangelisch- reformierten Gemeinde Toulon
und der Evangelischen Kirche in Mannheim. Der Partnerschaft der Kirchen folgte darauf die Städtepartnerschaft Mannheim und Toulon.
Dieser Werdegang ist einmalig: Der Versöhnung zwischen den Kirchen folgte die Versöhnungsarbeit der Städte!
Schon seit dem 17. Jahrhundert gab es starke Verbindungen zur Eglise Reformée de France. Nachdem protestantische Gläubige bis zum Edikt von Nantes 1598 verfolgt wurden, gestattete dieser ab 1598 den calvinistischen Protestantismus volle Bürgerrechte zu. Daraufhin fand die französische reformierte Kirche ihre Anerkennung im Land. Allerdings wurde dieses Edikt 1685 bereits wieder außer Kraft gesetzt und widerrufen! Plötzlich waren französische Protestanten, sie wurde „Hugenotten“ genannt, erneut Verfolgte! Sie flohen in protestantische Hochburgen wie Genf, die Niederlande, aber auch nach Südwestdeutschland und in die Quadratestadt. Zu diesem Zeitpunkt war Mannheim eine florierende Handelsstadt, die Neubürger suchte, um die Bevölkerungszahl zu erhöhen sowie um Handwerk und Handel zu verstärken.
Die nach Mannheim Geflohenen fanden Raum in der Konkordienkirche in R 2 für ihre französisch-reformierte Gemeinde. In diesem Gotteshaus versammelte sich bereits die deutsch-reformierte Gemeinde zu ihren Gottesdiensten, die liturgisch und konfessionell durch die Schweitzer Reformation geprägt waren. Reformator der deutschsprachigen Schweiz war Ulrich Zwingli sowie der französischsprachigen Johannes Calvin. Wichtig über die Jahrhunderte wurde der „Heidelberger Katechismus“ aus dem Jahre 1563, der das weltbekannte reformierte Gegenstück zu Luthers Katechismen darstellt.
Die Konkordienkirche in Mannheim erhielt ihren Namen zu Recht, denn das lateinische Wort „Concordia“ heißt zu Deutsch „Eintracht“. Deutsche Reformierte und französisch reformierte Christen trafen sich in der reformierten Doppelkirche gleichsam unter einem Dach, verbunden in Eintracht. In den Quadraten trafen sich lutherische Christen indessen in der nahe gelegenen Trinitatiskirche.
Man könnte also sagen, dass der Arbeitskreis Toulon eine lange Tradition des konfessionellen Ausgleichs, der Solidarität, Freundschaft und der Zusammenarbeit fortsetzt und sich heute für eine lebendige Partnerschaft und einen regelmäßigen Austausch mit der Gemeinde im schönen Südfrankreich einsetzt. Ein Stück lebendige Stadtgeschichte!